Aubing-Neuaubinger Zeitung, 04. November 2005

Lebenswichtige Unbekannte

Bayern startet Initiative für Vitamin Folat - Unterversorgung in der BRD bei 90 Prozent

München. - Jeder von uns kennt Vitamin C, doch kaum jemand hat schon einmal von dem für uns Menschen lebenswichtigen Vitamin Folat gehört, das zu der Gruppe der B-Vitamine gehört. Allein in Deutschland liegt die Unterversorgung mit diesem Vitamin - laut Ernährungsbericht 2004 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung - bei über 90 Prozent.

Diesen Mangel und seine Folgen will das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz mit Aufklärungsaktionen gezielt ins Bewußtsein der Öffentlichkeit rücken. Dazu sollte zum Beispiel auch eine Ausstellung im Bayerischen Landtag beitragen.

Was hat es eigentlich auf sich mit diesem Vitamin Folat oder auch Folsäure? Folat gehört zur Gruppe der wasserlöslichen B-Vitamine, Folsäure ist die synthetische stabile Form des Vitamins, kommt in der Natur nicht vor, spielt aber eine Schlüsselrolle für den Stoffwechsel. Sie wird als Medikament und Nahrungsergänzungsmittel verwendet und eignet sich zur Anreicherung von Lebensmitteln. 1941 wurde sie erstmals aus Spinatblättern gewonnen; daher stammt ihr Name (von lateinisch folium, das Blatt).

Natürliche Quellen sind unter anderem Kichererbsen, Sojabohnen, Weizenkeime, Vollkorngetreide, Brokkoli, Grünkohl, Spinat, Mangold, Feldsalat, Linsen, Rosenkohl, Nüsse, Tomaten, Orangen. Eine hervorragende Quelle ist auch Hühnerleber. Folathaltige Lebensmittel sollten so frisch wie möglich verzehrt werden, weil Folat auf Licht, Hitze und Sauerstoff sehr empfindlich reagiert. Ernährungswissenschaftler empfehlen daher, Grundnahrungsmittel wie Mehl oder Salz gezielt mit Folsäure, der stabilen, industriell hergestellten Folatvariante, anzureichern.

Auf die Unterversorgung der bayerischen Bevölkerung mit dem Vitamin Folat und den dringenden Handlungsbedarf wies Barbara Stamm, 1. Vizepräsidenten des Bayerischen Landtags, bei der Eröffnung der Ausstellung, die vor allem für Besuchergruppen gedacht war, hin, ebenso Gesundheitsstaatssekretärin Emilia Müller. Diese meinte, die Bayern seien nach der aktuellen bayerischen Verzehrsstudie mit keinem anderen Vitamin schlechter versorgt als mit Folat/Folsäure und fühlte weiter aus: "Eine ausreichende Versorgung kann nach aktuellen Studien das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz beziehungsweise Depression reduzieren. Außerdem sinkt mit einer ausreichenden Versorgung mit Folat das Risiko für Krebskrankheiten, insbesondere für Dickdarmkrebs. Besonders wichtig sind zusätzliche Fol-säuregaben zu Beginn der Schwangerschaft. Sie mindern außerdem das Risiko für Missbildungen des Embryo erheblich."

Auch Professor Dr. Berthold Koletzko vom Haunerschen Kinderspital der Uniklinik München, der dem wissenschaftlichen Beirat der Folat-Initiative angehört, wies auf die weitreichende Schutzfunktion des Vitamins Folat hin. Rund 800 Babys werden jährlich in Deutschland mit einem so genannten "offenen Rücken" geboren. Diese schwere Behinderung führt unter anderem zu der angeborenen Querschnittslähmung. Grund sei zumeist eine nicht ausreichende Folatversorgung der Mütter während und bereits vor der Schwangerschaft.

Zusammen mit der Aktion Health Care Bayern e.V. und dem Arbeitskreis Folsäure & Gesundheit hat das Ministerium jetzt die Bayerische Folat-Initiative gegründet. Unterstützt wird diese Initiative von einem Beirat namhafter Wissenschaftler. Health Care Bayern ist ein gemeinnütziger Verein und versteht sich als sektorenübergreifende Plattform im Gesundheitswesen am Standort Bayern. Ziel der Folat-Initiative ist neben der Aufklärung auch die Werbung für freiwillige Anreicherung ausgewählter Grundnahrungsmittel wie Salz und Mehl mit Folsäure, für die Lebensmittelhandwerk, Ernährungsindustrie und Kantinen animiert werden sollen.

Was Jod betrifft, ist das Ziel des Mangelausgleichs schon beinahe erreicht. Weil Bäcker, Metzger, Kantinenköche und Gastronomen ihre Produkte mit Jodsalz anreichern, nimmt die Bevölkerung bei uns heute doppelt so viel Jod auf wie noch vor 20 Jahren. Weltweit haben sich 38 Länder für eine Folatanreicherung von Lebensmitteln entschieden. Auch bei uns in Bayern gibt es Vorreiter dafür, so wird zum Beispiel bereits Bad Reichenhaller Jodsalz mit Fluorid und Folsäure hergestellt. Auch mit dem Mehlhersteller Aurora arbeitet die Folat-Initiative zusammen.

Große Unterstützung findet die Initiative bei den Betriebskrankenkassen (BKK) in Bayern. Über eine landesweite Vorsorgekampagne werden in den BKK-Trägerunternehmen Gesundheitswochen und Kantinenaktionen mit folatreichen Mittagsgerichten angeboten. Die Mitglieder werden außerdem über Fachinformationen und Rezeptbroschüren sowie über die Mitgliederzeitschrift über die gesundheitlichen Auswirkungen von Folat informiert. Eine Aktion mit besonders folatreichem Essen wurde natürlich auch in der Landtagsgaststätte im Maximilianeum durchgeführt.

Weitere Informationen dazu gibt es auch im Internet unter www.ak-folsaeure.de sowie im Infotelefon "Lebensmittel und Ernährung" 01805 829232 der Verbraucherzentrale Bayern;

Fragen werden auch per E-Mail an die Adresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
sowie auf dem Postweg beantwortet.

Teilnehmer bei der Vorstellung der Folatinitiative